AUSGEWÄHLTE KAPITEL AUS DER SYNTAX
Die Adverbialbestimmung (AdvB)
Die Grundmerkmale:
- die Adverbialbestimmung dient zur näheren Bestimmung des vom Satz bezeichneten verbalen Geschehens (bezogen auf Ort, Zeit, Art und Weise und Grund);
- sie bezieht sich auf das Verb als Prädikat, mit dem sie in einer unterschiedlich starken Beziehung steht (frei/ fakultativ/ obligatorisch);
- es gibt vier semantische Hauptklassen von Adverbialbestimmungen: temporal, lokal, modal, kausal (eine detailliertere Unterteilung findet sich im Folgenden);
- morphosyntaktisch kann die Adverbialbestimmung auf unterschiedliche Weise realisiert werden (präpositionale Gruppe, Adverb, Adjektiv, Substantiv im Akkusativ/ Genitiv, satzartige Realisierung) und je nach semantischer Klasse durch das entsprechende Adverb ersetzt werden;
- je nach semantischer Klasse und morphosyntaktischer Realisierung kann sie mit Fragewörtern (Frageadverbien/ Präposition + Frageadverb) erfragt werden;
- die Transformationsmöglichkeiten sind begrenzt: Nominalisierungstransformation (an die morphosyntaktische Realisierung der Adverbialbestimmung gebunden).
(vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016: 13f.; Pittner/Berman 2015: 38f..; Dürscheid 2012: 38-41; Helbig/ Buscha 2001: 459-463)
Erläuterung und Veranschaulichung der Grundmerkmale anhand von Beispielen:
Bei der sprachlichen Kodierung eines Ereignisses wird ein einfacher Satz, der aus einem Subjekt und einem Prädikat besteht, selten verwendet. Vielmehr wird im Satz auch auf andere Aspekte verwiesen, die für das Ereignis relevant sind. Dazu gehören auch die Umstände, unter denen das betreffende Ereignis stattfinden wird/stattfindet/stattgefunden hat. Auf der Satzebene wird auf sie anhand von Adverbialbestimmungen Bezug genommen. Diese können sich auf den Ort (statisch), auf die Richtung (dynamisch), auf den Zeitpunkt (temporal), auf die Dauer (temporal), auf die Frequenz (temporal), auf die Art und Weise (modal), auf die Kausalität im engeren Sinne (kasual), auf die Bedingung (konditional), auf die Folge (konsekutiv), auf den Zweck oder das Ziel (final), auf den Gegengrund (konzessiv) beziehen (vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016: 13). Daraus folgt, dass es neben der klassischen Einteilung der Adverbialbestimmungen in vier Hauptklassen auch eine detailliertere Einteilung in Unterklassen einiger der Hauptklassen gibt. Folglich entsprechen den Unterklassen auch unterschiedliche Möglichkeiten, nach ihnen zu fragen und sie in bestimmten Kontexten zu bestimmen.
ADVERBIALBESTIMMUNGEN | |||
temporale AdvB | · Zeitpunkt | Wann? | |
· Dauer | Wie lange? Bis wann? | ||
· Frequenz | Wie oft? Wie häufig? | ||
lokale AdvB | · Ort | Wo? | |
· Richtung | Wohin? Woher? | ||
modale AdvB | · Art und Weise | Wie? Auf welche Weise? Wodurch? | |
· Begleiter | Mit wem? | ||
| · Instrument, Mittel | Womit? | |
kausale AdvB | kausale AdvB i.e.S. | · Ursache, Grund | Warum? Weshalb? |
konditionale AdvB | · Bedingung | In welchem Fall? Unter welcher Bedingung? | |
konzessive AdvB | · Gegengrund | Trotz was? | |
konsekutive AdvB | · Folge, Auswirkung | Mit welcher Folge? Mit welcher Auswirkung? | |
finale AdvB | · Zweck, Ziel | Wozu? Zu welchem Zweck? Mit welchem Ziel? |
(vgl. Metzler Lexikon Sprache 2016: 13f.; Pittner/Berman 2015: 38f..; Helbig/ Buscha 2001: 459-463; https://grammis.ids-mannheim.de/progr@mm/5251#kadv)
z.B.:
Im nächsten Jahr findet dieses Turnier wieder statt. (temporale Adverbialbestimmungen; wann?)
Die Konzertlesung dauert ca. 90 Minuten. (temporale Adverbialbestimmungen; wie lange?)
Jährlich ziehen mehr als zwei Millionen Mieterhaushalte um. (temporale Adverbialbestimmungen; wie oft?)
Die Suiten sind ca. 45 qm groß und liegen im Hauptgebäude. (lokale Adverbialbestimmungen; wo?)
Er fliegt zurück in seine alte Heimat. (lokale Adverbialbestimmungen; wohin?)
Die Betreuung war super und er hat immer schnell geantwortet. (modale Adverbialbestimmung; wie?)
Nachdem es keine Einbruchsspuren gibt, dürften die Täter mit einem Schlüssel in das Gebäude eingedrungen sein. (modale Adverbialbestimmung; womit? / mit welchem Instrument?)
Er zog 1867 mit seinen Eltern nach Berlin. (modale Adverbialbestimmung; mit wem?)
Der stand damals wegen der Corona-Pandemie vor großen Schwierigkeiten. (kausale Adverbialbestimmung; warum?)
Bei berechtigtem Verdacht einer rechtswidrigen Nutzung halten wir uns zudem eine genauere Überprüfung der Protokolldateien vor. (konditionale Adverbialbestimmung; in welchem Fall?)
Trotz der Pandemie soll das weltweit bedeutendste Kulturfestival im hundertsten Jahr seines Bestehens stattfinden. (konzessive Adverbialbestimmung; trotz was?)
Vor ein paar Wochen haben sie am Bahnhof gratis Katzenfutterproben verteilt. → Das hat mich zum Weinen gebracht. (konsekutive Adverbialbestimmung; mit welcher Folge?)
Jeder Teilnehmer erhält 5 Glücksjetons zum Gewinnen von Sachpreisen. (finale Adverbialbestimmung; wozu? / mit welchem Ziel?)
Die obigen Beispielsätze veranschaulichen die variablen Möglichkeiten der morphosyntaktischen Realisierung von Adverbialbestimmungen. Nicht alle Möglichkeiten können für alle semantischen Klassen ausgeschöpft werden; mit Rücksicht auf das Auftreten in einem einfachen Satz dominieren überall zwei: das Adverb und die Präpositionalgruppe. Im Zusammenhang mit der morpho-syntaktischen Realisierung ist jedoch noch etwas anderes zu beachten. Nicht nur die Adverbialbestimmung wird durch die Präpositionalgruppe realisiert, sondern auch das Präpositionalobjekt (auch das Subjekts-/Objektsprädikativ und das Objekt zum Prädikativ, die jedoch anhand bestimmter Merkmale identifiziert werden können). Dies bedeutet, dass die Präpositionalgruppe durch syntaktische Polyfunktionalität gekennzeichnet ist (zur syntaktischen Polyfunktionalität siehe wichtige Begriffe). Das Hauptkriterium für die Unterscheidung zwischen einem Präpositionalobjekt und einer Adverbialbestimmung ist die Präposition und ihr Status. Bei einem Präpositionalobjekt wird die Präposition durch das Verb als Prädikat bestimmt und ist nur beschränkt austauschbar; sie hat ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, d. h. sie ist semantisch leer (siehe die Einheit zum Objekt). Bei einer Adverbialbestimmung kann die Präposition ausgetauscht werden. Sie behält ihre ursprüngliche Eigensemantik bei und fungiert mit ihr in Verbindung mit dem Verb als Prädikat im Satz (vgl. Pittner/Berman 2015: 38; Dürscheid 2012: 40; https://grammis.ids-mannheim.de/terminologie/208). Die Austauschbarkeit der Präposition bei der Adverbialbestimmung ist nicht im Sinne von grenzloser Beliebigkeit gemeint. Die Verwendung einer bestimmten Präposition hängt von den Bedürfnissen des Sprachbenutzers in einer bestimmten sprachlichen Situation ab.
z.B.:
In seiner Freizeit interessiert er sich für Dampfzüge und Straßenbahnwagen.
☛ Präpositionalobjekt – eine feste, nicht austauschbare Präposition für
vs.
Er spielte auf Konzerten und Tourneen im In- und Ausland.
Zu Beginn ihrer Karriere spielte Helene vor kleinem Publikum.
Ein Radio spielte hinter dem Haus ein Lied.
☛ Adverbialbestimmung/lokal – relativ freie, austauschbare Präpositionen; die Präpositionen sind nicht völlig beliebig austauschbar; die betreffende Adverbialbestimmung muss semantisch mit dem Verb als Prädikat kompatibel sein.
Ähnliche Situation besteht beim Substantiv im Genitiv/Akkusativ als morphosyntaktische Realisierung. Es ist eine typische Realisierung des Genitiv-/Akkusativobjekts und eine seltene Realisierung der Adverbialbestimmung. Das entscheidende Kriterium für ihre Unterscheidung ist hier die Verbindung mit dem Verb als Prädikat, das aufgrund seiner Semantik ein Objekt im jeweiligen Kasus erfordern kann oder nicht. Dadurch wird eine der syntaktischen Funktionen ausgeschlossen. Darüber hinaus kann man nach dem jeweiligen Satzteil fragen: wen?/was?; wessen? vs. wann?/wie lange?.
z.B.:
Der Begriff reicht weit und umfasst praktisch jeden Umgang mit Daten.
☛ jeden Umgang mit Daten ist ein obligatorisches Akkusativobjekt; es wird vom Verb umfassen verlangt. (Was umfasst der Begriff?)
vs.
Im Advent gibt es jeden Tag eine Adventskalenderfolge mit tollen Preisen.
☛ jeden Tag ist eine freie temporale Adverbialbestimmung; sie wird nicht vom Verb es gibt verlangt. (Wie oft gibt es im Advent eine Adventskalenderfolge mit tollen Preisen?)
Im Vergleich zu anderen verbdeterminierten Satzgliedern ist die Adverbialbestimmung eine syntaktische Funktion, die nicht nur vollständig aus der Oberflächenstruktur des Satzes ausgeschlossen werden kann, sondern auch in unterschiedlichem Maße mit dem Verb verbunden sein kann. Es kann zwischen völlig freien, fakultativen und obligatorischen Adverbialbestimmungen unterschieden werden. Dies betrifft aber nicht alle semantischen Klassen der Adverbialbestimmung. So gibt es beispielsweise Zustandsverben, die aufgrund ihrer Semantik eine explizite Lokalisierung des Subjekts erfordern (sich befinden, sich aufhalten, wohnen – lokale Adverbialbestimmung ist obligatorisch; temporale, modale, kausale Adverbialbestimmung ist frei), aber es gibt auch Zustandsverben, bei denen die Lokalisierung oder modaler Bezug unter bestimmten Kontextbedingungen entfallen kann (sitzen, liegen, stehen – lokale/modale Adverbialbestimmung ist fakultativ; temporale, kausale Adverbialbestimmung ist frei). Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Verben, bei denen die Adverbialbestimmung völlig frei ist (arbeiten, kochen, lernen, malen, fernsehen – lokale, temporale, modale, kausale Adverbialbestimmung ist frei).
z.B.:
Sieben Beschuldigte befinden sich aktuell in Untersuchungshaft.
☛ in Untersuchungshaft ist eine obligatorische lokale Adverbialbestimmung; Satz mit der Struktur Sieben Beschuldigte befinden sich aktuell. wäre weder grammatikalisch vollständig noch sprachlich akzeptabel.
Du sitzt dem andern auf dem Schoß. (vs. wenn man in einer entsprechenden Situation sagt „Wichtig ist, dass du sitzt.“)
☛ auf dem Schoß ist eine fakultative lokale Adverbialbestimmung; in der jeweiligen kommunikativen Situation kann sie aus der Oberflächenstruktur des Satzes ausgeschlossen werden.
In der Nacht konnten wir kaum schlafen.
☛ in der Nacht ist eine freie temporale Adverbialbestimmung; sie kann weggelassen werden, da das Verb schlafen als Prädikat sie aufgrund seiner Semantik nicht benötigt.
Im Vergleich zu anderen Satzgliedern sind die Transformationsmöglichkeiten bei den Adverbialbestimmungen begrenzt. Helbig/Buscha (2013: 460) geben an, dass hier nur eine Nominalisierungstransformation möglich ist, die auch mit der morphosyntaktischen Realisierung der Adverbialbestimmung in Form eines Adjektivs oder Adverbs verbunden ist. Durch die Nominalisierungstransformation wird eine solche Adverbialbestimmung zu einem vorangestellten Attribut.
z.B.:
Jedenfalls ist er nach New York damals gereist und hatte die Stelle besucht.
→ das damalige Reisen nach New York – durch die Nominilasierungstransformation des Prädikats wird die temporale Adverbialbestimmung damals zum vorangestellten Attribut
Wichtige Begriffe:
die Adverbialbestimmung – príslovkové určenie
die modale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie spôsobu
die lokale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie miesta
die temporale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie času
die kausale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie príčinnosti (širšie poňatie)
príslovkové určenie príčiny (užšie poňatie)
die konditionale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie podmienky
die konsekutive Adverbialbestimmung – príslovkové určenie následku, výsledku
die konzessive Adverbialbestimmung – príslovkové určenie prípustky
die finale Adverbialbestimmung – príslovkové určenie účelu (cieľa)
syntaktische Polyfunktionalität – schopnosť slova alebo skupiny slov plniť viac ako jednu syntaktickú funkciu, vystupovať vo vete v pozícii rôznych vetných členov (predložka + podstatné meno ako morfosyntaktická realizácia: objekt s predložkovým pádom, adverbiálne určenie, predikatív)
Literatur
Dürscheid, Ch. (2012): Syntax. Grundlagen und Theorien. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Eisenberg, P. (2013): Grundriss der deutschen Grammatik, Band 2. Der Satz. Weimar: J.B. Metzler.
Glück, H./ Rödel, M. (Hg.) (2016): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart: Metzler Verlag.
Helbig, G./ Buscha, J. (2013): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin & München: Langenscheidt.
Oravec, J./ Bajzíková, E. (1986): Súčasný slovenský spisovný jazyk. Syntax. Bratislava: Slovenské pedagogické nakladateľstvo.
Pittner, K./ Berman, J. (2015): Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag.
Digitale Quellen
Grammis: https://grammis.ids-mannheim.de/terminologie/208
Sketch Engine: https://app.sketchengine.eu/
Die Aufgaben
Offene Frage
Berücksichtigt man die Beziehung zwischen der syntaktischen Funktion (Satzgliedwert) und der morphologischen Realisierung des Satzglieds, so lässt sich die sogenannte syntaktische Polyfunktionalität innerhalb der Satzstruktur beobachten (siehe wichtige Begriffe).
Denken Sie über das Konzept der „syntaktischen Polyfunktionalität“ nach! Die folgenden Satzpaare können Ihnen dabei helfen.
Die Korpusbelege:
- Aus Ärger wurde Wut, aus Wut wurde Hass.
- Ein User hat aus Ärger seine Programme sofort in den digitalen Papierkorb geworfen.
- Eines Morgens stand ich wieder nach der Dusche vorm beschlagenen Spiegel.
- Nicht der Tage erinnert man sich, man erinnert sich der Augenblicke.